Sonntag, 9. November 2014

Alle was zu Ebola gesagt wurde, nochmal gesagt

Alle was zu Ebola gesagt wurde, nochmal gesagt:


Mittlerweile ist es neun Montate her seit dem offiziellen Ausbruch der Ebolaepidemie und das große Medienecho, welches besonders im Sommerloch seinen Höhepunkt hatte, ist merklich abgeklungen, obwohl das Sterben in Afrika noch groß im Gange ist. Da will ich die Medienflaute nutzen, um drei Fragen zu beantworten, an denen sich eigentlich schon eine Vielzahl von Leuten abgearbeitet haben, aber die tatsächlich bei manchen immer noch nicht angekommen sind.
Weltuntergang jetzt! (Der Spiegel Heft 39/2014)

Ist Ebola eigentlich das gefährlichste Virus auf der Welt?


Nein, ganz und gar nicht. Auch wenn es den Betroffenen in Westafrika so vorkommen muss. Der aktuelle Ausbruch ist nur ein absoluter Ausnahmefall. Die Opferzahlen dieser Epidemie übersteigen alle bisher dokumentrierten Ebolatodesfälle um ein Vielfaches. Jedoch ist die Übertragung vom Tier auf den Menschen (zum Beispiel durch Verzehr von bush meat) und damit der Ausbruch des Ebolafiebers relativ selten und eine Ansteckungsgefahr besteht nur bei engen Körperkontakt mit Infizierten. Dass die Seuche dennoch derzeit in Westafrika so heftig wütet, liegt zum einen am Virusstamm. Die meisten Ebolaviren sind stark pathogen. Dass heißt, kurz nach dem Auftreten der ersten Symptome verstirbt der Patient. In dem jetzigen Fall treten schwere Anzeichen der Erkrankung erst etwas später auf, was zu erhöhtem Kontakt zwischen Infizierten und ihren Mitmenschen führt. Ein zweiter Grund liegt in der westafrikanischen Gesellschaft beziehungsweise ihrer unzureichenden gesundheitlichen Aufklärung. Hier ist beispielsweise der Körperkontakt mit Verstorbenen bei Trauerfeiern Gang und Gäbe. Warum aber Leute hier in Deutschland uninformiert und hysterisch Panik schieben, der Virus könnte in Europa einfallen und alles und jeden vernichten, kann ich mir nur durch das Aufbauschen in den Medien erklären. wie zum Beispiel im Spiegel (Bild oben). Den Gipfel der Ignoranz bildet aber mal wieder die BLÖD-Zeitung:
Das bisschen Panik halten die Notrufzentralen schon aus. 
(Bild: twitter.com/FranzNestler/)

Sehr interessant zu Seuchen und Hysterie ist auch das Interview mit dem Medizinhistoriker Robert Jütte im DLF.

Wird Ebola jetzt die ganze Welt überrennen?


Nein. Insbesonders in Europa und der USA ist eine Ebolaepidemie sehr unwahrscheinlich. Das liegt hauptsächlich daran, dass dort ein Infizierter schneller erkannt wird und leichter zu isolieren ist. Der Ebolavirus wird durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder Organen schwer Erkrankter oder durch Schmierinfektion mit stark kontaminiertem Material übertragen. Das betrifft bei „uns“ eigentlich nur Pflege- und medizinisches Personal, wie zum Beispiel eben jene spanische Krankenschwester, die sich bei bei der Behandlung eines Geistlichen aus Liberia in Madrid angesteckt hatte. Sofortige Isolation, Intensivpfege und die Überprüfung möglicher Kontaktpersonen konnte sie nicht nur retten, sondern verhinderte eine weitere Ausbreitung. Mit den vier infizierten Helfern in der USA wurde auf gleiche Weise verfahren und es kam nur zu einem Todesfall. Und wer jetzt glaubt, dass gehe ja nur in den hochgerüsteten Industriestaaten, irrt. Ein Ausbruch in Mali, Senegal und Nigeria konnte genauso verhindert werden. Die Angst vor einer weltweiten Ausbreitung erscheint also arg überzogen.

Wer hat Schuld?


Bei einer Katastrophe dieser Dimension ist es nur verständlich, dass man jemanden braucht, auf den man mit dem Finger zeigen kann. Nur sollte man das in diesem Fall keineswegs leichtfertig tun. Zweifellos kann man kritisieren, dass die WHO diese Epidemie unterschätzt hat und internationale Hilfe eher schleppend anläuft. Einen weiteren Vorwurf muss sich die Pharmaindustrie gefallen lassen, dass sie aus lauter Geldgier keine Medikamten und Impfstoffe für die armen Afrikaner entwickeln würde. Das die Eindämmung von Ebola aber auch durch klassische, symptomatische Behandlung sehr gut möglich ist, beschreibt Lars Fischer in seinem Blog. Wenn ich mit dem Finger auf jemanden zeigen müsste, dann am ehesten auf die Virus-Verharmloser, wie den guineische Präsidenten Alpha Condé, oder auf die wirre Verschwörungstheoretiker, welche die realen Gefahren relativiern. Und das allergrößte Kotzen bekomm ich, wenn ich lese, wie Kirchenleute die Seuche als Plage Gottes bezeichnen und gegen Homosexuelle hetzten.

Fazit


Dass das Massensterben in den Ländern Liberia, Guinea und Sierra Leone weitergeht, ist unausweichlich. Zu spät wurden die entsprechenden Isolations- und Informationsmaßnahmen angegangen. Jedoch bleibt zu hoffen, dass durch Engagement eines breit aufgestellten internationalen Bündnisses (und nicht nur von Kuba) die Folgen etwas abgeschwächt werden. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Seuchenprävention am besten durch intensive Entwicklungsarbeit in den anfälligen Regionen der Welt zu betreiben ist. Also Aufbau von (medizinischer) Infrastruktur und Aufklärungsarbeit. Da das alles Geld kostet, ist nur zu hoffen, dass die vollmundigen Versprechungen, die jetzt gemacht werden, auch in Zukunft gehalten werden.


Weiter Informieren?
    -  Allgemeine Ebolainformationen des Robert-Koch-Institut
    -  Situation Reports der World Health Organization


Update 11.11.2014: Offensichtlich dreht sich das Panikkarussell weiter.